Das Urheberrecht liegt beim Herausgeber des Mittelaltermagazins Miroque. Wiederverwendung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Die Publikation erschien in der Ausgabe Miroque - Lebendige Geschichte Nr. 11 - IV/2012, Verlag VK Histomedia GmbH

Der mittelalterliche Handel mit Düften und Aromen

von Gabriela Stark

mit freundlicher Genehmigung des Mittelaltermagazins Miroque

Es war der Handel mit Düften und Aromen, der die ersten Handelswege der Menschen prägte. Die Lust auf Weihrauch, Myrrhe und auf Gewürze wie Zimt, Pfeffer oder Muskatnuss entfachte die Phantasie genauso wie Kriege. Wer in mittelalterlichen Zeiten Herr über die duftenden Waren war, besaß sprichwörtlich eine Lizenz zum Gelddrucken. Besonders im Abendland war es für jeden, der es sich leisten konnte, ein Muss, über Unmengen an Gewürzen, Düften und Parfums zu verfügen. Heute jedoch sind diese Produkte eine Allerweltsware, die jederzeit verfügbar ist und über deren Wert und Bedeutung niemand mehr nachdenkt.

Die Levante

Die Waren wurden seit der Antike über die Landwege der Seiden- und Weihrauchstraße nach Arabien und von dort über den Seeweg in die Mittelmeerländer transportiert. So verband sich ein Warenstrom von China, Indien, Zentralasien mit dem arabischen Raum. Im 12. Jahrhundert waren die wichtigsten Zentren für Duftstoffe und Gewürze die italienischen Städte Venedig, Genua und Amalfi. Dort landeten die Handelsschiffe an, und von hier aus gelangten die exotischen Spezereien in die Machtzentren des nördlichen mittelalterlichen Europas. Zeitgleich zum Dufttrend entwickelten sich im 13. Jahrhundert in Murano (bei Venedig) die Manufakturen, die die edlen Flakons für die Parfums herstellten, deren Materialien hauptsächlich aus Gold, Silber und Perlen bestanden.

Im 12. - 14. Jahrhundert hatten die wichtigsten Hafenstädte Italiens, Griechenlands sowie die der Araber ein vollständiges Monopol auf den Handel mit den Waren der Seidenstraße. Dafür wurde der Begriff der Levante geprägt. Gemeint waren damit die Küstengebiete Italiens, Arabiens, Griechenlands und Syriens, denen die Hafenstädte am Mittelmeer gehörten. Ein nordeuropäischer Händler konnte seine duftenden Waren nur bei Händlern der Levante erstehen.

Es wurden allerdings nicht nur Waren importiert, sondern auch nordeuropäische Erzeugnisse verkauft und in die fernen Länder transportiert. Auch von den Kreuzzügen und anderen Kriegen profitierten die Hafenstädte. Überliefert ist zum Beispiel ein Abkommen des griechischen Kaisers Alexios I. mit Venedig von 1082. Die Venezianer halfen ihm gegen die Normannen, und im Gegenzug bekamen die venezianischen Händler im gesamten griechischen Reich die Möglichkeit, Waren zollfrei zu im- und exportieren. So durfte kein kaiserlicher Zoll-, Steuer- oder Hafenbeamter die Waren der Venezianer kontrollieren oder Abgaben darauf erheben. Auch König Balduin I. konnte mit Hilfe der Flotte Genuas die Hafenstadt Akkon im Jahr 1104 übernehmen. Als Dank bekamen die genuesischen Händler ein Drittel des Hafenzolls von Akkon und waren ihrerseits von allen Zöllen und Abgaben befreit.

Der Transport auf den Landwegen

Die Waren mussten im Regelfall bei jeder Ein- und Ausfuhr verzollt werden. Wurde die Ware innerhalb eines Landes transportiert, wurde ein Transitzoll erhoben. Dieser musste an jeder königlichen Lehensburg, die gerade am Weg lag, bezahlt werden. Vergleichbar ist der Transitzoll mit der heutigen LkW-Maut in Deutschland, die nicht einmalig beim Durchqueren des Landes fällig wird, sondern nach der tatsächlich gefahrenen Entfernung. Dazu wurde für die Überquerung eines Gebirgspasses oder einer Brücke Passagegeld verlangt. Kein ganz billiges Unterfangen für die Kaufleute, denn die Mächtigen der Länder wollten ebenfalls vom Handel profitieren. Doch es lohnte sich ihr Einsatz, wenn sie die Ware dann schließlich in Zentraleuropa zu hohen Preisen verkaufen konnten.

Am wertvollsten waren Duftstoffe, wie das Sandelholz (Indien), das kostbare Adlerholz (Vietnam), tierischer Zibet (Äthiopien), tierischer Moschus (Tibet und Nepal), Kampfer (China) und die Gewürze Pfeffer (Indien), Zimt (Ceylon), Ingwer (Südostasien), Safran (Orient), Kardamom (Indien), Galgantwurzel (Indien), Muskatnuss (Indonesien) und Gewürznelke (Indonesien). Kostbare Seide, Brokat, Juwelen, Kunstgegenstände und edle geschmiedete Schwerter waren zusätzlich willkommene Tauschobjekte.

Reisten Dufthändler mit Leiterwagen?

Wie reiste wohl ein Duft- und Gewürzhändler in diesen Zeiten? In der Literatur finden sich oft Sätze wie “fahrende Kaufleute auf einigen Saumpferden, beladen mit Luxuswaren” oder “auf Zweirad-, Plan- oder Leiterwagen transportierten sie alle Waren”, aber weitere Angaben verschwimmen im Strom der jahrhundertelangen Handelsgeschichte.

Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass ein Duft- und Gewürzhändler allein und unbewaffnet so wertvolle Waren ohne jeglichen Schutz von Italien bis Nordeuropa auf einem Pferd oder Leiterwagen transportierte. Denn das, was heute eine wertvolle Uhr am Handgelenk oder ein teures Auto als Statussymbol leistet, das waren im Mittelalter Duftstoffe und Gewürze.

Man stelle sich nun einen Dufthändler in mittelalterlichen Zeiten vor, mitten im Markttrubel, einsam und allein an seinem Stand sitzend und mit einem offenen und riesigen Sack voller Muskatnüsse und Parfums in wunderschönen Flakons mit Gold und Silber verziert, wartend auf seine gut betuchte Kundschaft... weit wäre er wohl nicht gekommen.

Ich würde wirklich gerne einmal einen Mittelaltermarkt besuchen, wie ihn Dufthändler in vergangenen Zeiten besucht haben: Alle Düfte, Gewürze und Parfums waren in schönsten Kostbarkeiten verpackt wie Glasfläschchen mit echtem Perlenschmuck oder Truhen aus erlesenen Hölzern, die mit wertvollen Stoffen ausgeschlagen waren. Auch eine schlagbereite Söldnertruppe zum Personenschutz hätte sicherlich nicht gefehlt, sowie Personen- und Taschenkontrollen vor dem Zelt. Ohne solchen persönlichen Schutz hätte kein Dufthändler durch die mittelalterlichen Lande reisen können. Er wäre an der nächsten Biegung aufgrund seiner wertvollen Waren getötet worden.

Der Unterschied zwischen mittelalterlichen und heutigen Duftständen auf einem Mittelaltermarkt

Heutige Mittelaltermarktveranstalter unterliegen gerne der Vorstellung, dass Waren- wie auf heutigen orientalischen Basaren - offen präsentiert werden müssten, weil dies authentisch sei. Ein mittelalterlicher Duft- und Gewürzhändler hätte hierdurch jedoch einen beträchtlichen Wertverlust seiner Waren erlitten. Düfte wie Parfums, ätherische Öle, Räucherpflanzen, Gewürze und deren kosmetische Produkte (wie Salben, Seifen oder Massageöle) reagieren extrem licht- und hitzeempfindlich. Durch die massive Sonneneinwirkung zersetzen sich wertvolle Inhaltsstoffe, chemische Prozesse kommen in Gang, das Produkt oxidiert und bildet so einen idealen Nährboden für Bakterien, Pilze, Keime und Schimmel.

Wenn Trockenheit und Wind zunehmen, liegt bei einer offenen Präsentation der Staub in und auf den angebotenen Waren; bei Niesel- und Dauerregen kommt Feuchtigkeit in die Waren (und gerade Kräuter und Gewürze schimmeln bereits nach zwei Tagen), ebenso verlieren sie durch eine offene Präsentation ihr wundervolles Aroma. Für eine solch minderwertige Ware hätte kein mittelalterlicher Händler gut zahlende Kunden gefunden. Im Gegenteil, eine solche Ware galt in mittelalterlichen Zeiten sogar als völlig wertlos, da verunreinigt. Im 15. Jahrhundert gab es gesetzliche Vorschriften, die besagten, dass die Gewürze von allen Verunreinigungen wie zum Beispiel Staub gesäubert werden müssten. Kam ein Händler in Verruf, weil er stark überlagerte oder verdorbene Ware anbot, fand er keine Kundschaft mehr. Und auf das Verfälschen von pflanzlichen Produkten stand sogar die Todesstrafe.

Auf großen Märkten durfte ein Duft- und Gewürzhändler seine Ware nur unter direkter Aufsicht eines Zollbeamten des jeweiligen Herrschenden verkaufen. Dabei wurden genaue Verkaufslisten geführt, damit der Händler hinterher den richtigen Wert an Steuern bezahlten konnte. So etwas wie der Zehnte galt für einen Duft- und Gewürzhändler nicht. Kleinere Märkte besuchte ein Duft- und Gewürzhändler überhaupt nicht, denn für einen normalen Marktbesucher waren diese Luxusprodukte unerschwinglich und das Risiko, Leben oder Waren zu verlieren, viel zu groß. Dafür stattete er auf seiner Reise den jeweiligen Königen, Fürsten, dem Adel, den Bischöfen, Äbten und später Anfang des 14. Jahrhunderts auch der reichen Bürgerschaft Hausbesuche ab.

Messen und Zünfte

Ende des 14. Jahrhunderts entwickelte sich ein regelmäßiger Schiffsverkehr, der die Warenströme zwischen Mittelmeer, Atlantik und Nordsee verband. Es entstanden Messeplätze und die entsprechenden Zünfte in Brügge, Frankfurt, Antwerpen und London. Da sich die Mehrzahl der Bevölkerung die Luxuswaren noch immer nicht leisten konnten, wurde der Spottbegriff der “Pfeffersäcke” für entsprechende Händler und ihre gut betuchte Kundschaft geprägt. Die Duft- und Gewürzhändler waren im 15. Jahrhundert gut organisiert und vertrieben nur noch im Großhandel die Waren pfund-, sack oder ballenweise an die so genannten Krämer, die den Direktvertrieb an den Endkunden übernahmen.

Vom Luxusgut zum jederzeit verfügbaren Supermarktartikel

Vaso da Gama sorgte mit der Entdeckung des Seeweges nach Indien im Jahr 1498 dafür, dass die Europäer versuchten, die Herkunftsländer der Gewürze unter ihre Vorherrschaft zu bringen. Kriege und Versklavung sollten den größtmöglichen Profit aus dem jeweiligen Land bringen.

Der Handel mit Gewürzpflanzen war auf dem Höhepunkt angekommen. Es folgt die Kultivierung der Pflanzen in anderen Ländern, um die Erntemengen zu erhöhen. So werden Pfefferpflanzen (ursprünglich aus Indien) heute ebenso in Madagaskar, Brasilien und Afrika angebaut. Heute erleben wir die Massenvermarktung der Aromen. Sie sind in jedem Supermarkt präsent und in jedem Land dieser Welt zu bekommen. Sie haben den Weg vom begehrten Luxusartikel zur Massenware mitgemacht. Aber es waren die duftenden Pflanzen, die einst über lange Zeit hinweg das politische und ökonomische Weltgeschehen mitprägten.

Quellen

Literatur

Manuela Mahn Gewürze Reclam Verlag, 228 SeitenISBN 3-15-010480-7

Wilhelm Heyd Geschichte des Levantehandels im Mittelalter, Volume 1 Reprint, 604 SeitenISBN 9-781146123013

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