Keltischer Jahreskreis - Beltane - Walpurgisnacht und Fruchtbarkeitszauber

“Die kleine Hexe ließ sich vom Raben Abraxas nicht bange machen, sie ritt in der Nacht auf den Blocksberg. Dort waren die großen Hexen schon alle versammelt. Sie tanzten mit fliegenden Haaren und flatterten Röcken rund um das Hexenfeuer. Es mochten wohl, alles in allem, fünf- bis sechshundert Hexen sein: Berghexen, Waldhexen, Sumpfhexen, Nebelhexen und Wetterhexen, Windhexen, Knusperhexen und Kräuterhexen. Sie wirbelten wild durcheinander und schwangen die Besen. “Walpurgisnacht!” sangen die Hexen, “heia Walpurgisnacht!” Zwischendurch meckerten, krähten und kreischten sie, ließen es donnern und schleuderten Blitze.”

Aus dem Kinderbuch “Die kleine Hexe” von Otfried Preußler

Kein anderes Fest im Jahresverlauf wird so mit Hexen in Verbindung gebracht wie die Walpurgisnacht oder Beltane. Es ist ein Fest, das mit uralten Bräuchen und Riten verbindet und zurück zu den Wurzeln der Menschheit finden lässt. Aber auch die modernen Hexennächte und Wicca-Kulte haben ihren keltischen Ursprung in den nebulösen Schwaden des Druidentums. Denn ursprünglich war Beltane das Fest der Priester, also der Druiden, ein Sonnenfest, das den Frühling und die erwachende Natur willkommen heißt und natürlich ein Fruchtbarkeitsfest, da alles was jetzt erblüht zum Leben reift.

Namensgebung

Der Name Walpurgisnacht rührt allerdings von der heiligen Walburga her, die von 710 bis 779 n. Chr. lebte. Denn sie war eine große Missionarin, die die Heiden zum Christentum bekehrte und war ebenso die Schutzpatronin, die vor Hexen, Zauber und Magie schützte. Der Ort ihres Wirkens war das Benediktinerkloster in Heidenheim, das über einen Frauen- und Männerkonvent verfügte. Ihr Onkel, der heilige Bonifazius, war derjenige, der die heiligen Eichen der keltischen Bevölkerung fällen ließ und der auch das Kräutersammeln verbot. Letzteres allerdings ohne Erfolg. Walburga war bereits zu ihren Lebzeiten eine sehr populäre und wundertätige Frau, die als Patronin von Schwangeren und Gebärenden großen Ruf hatte. Allerdings wurden die weisen Frauen, die großes Wissen über Fruchtbarkeit, Schwangerschaft und das Gebären hatten, Jahrhunderte später als Hexen verschrien und verbrannt. Und so liegt die Ironie in dieser Geschichte darin, dass ausgerechnet die heilige Walburga Namensgeberin der Walpurgisnacht ist, also eines wilden, ekstatischen und fruchtbaren Frauenfestes.

Mit Walburgas Tod wurde ein wahrer Kult um ihre Person ausgelöst und mit ihren Gebeinen fand ein regelrechter Reliquienhandel statt. Ihre letzte Ruhestätte fand sie 1042 im Kloster St. Walburg in Eichstätt. Und seit dieser Zeit findet immer noch eines ihrer Wunder statt. Denn vom 12. Oktober (von dem Tag an, an dem sie zu ihrer letzten Ruhestätte gebracht wurde) bis zum 25. Februar (ihrem Todestag), bildet sich unter ihrer Grabesstätte das heilige Walpurgisöl und das bis zum heutigen Tage. Die Tröpfchen werden von den Nonnen des Klosters gesammelt, in Glasfläschchen abgefüllt und an Gläubige in aller Welt versand. Ihre Heiligsprechung erfolgte am 01. Mai 892 n. Chr.

Das keltische Beltane - ein Feuerfest

So vieles wissen wir über das Beltanefest nicht; seine Wurzeln liegen im Dunkel der Vergangenheit, lange bevor es in unseren Breiten schriftliche Aufzeichnungen gab. Die bedeutendsten Feste im Jahresverlauf unserer Vorfahren waren Beltane, der Beginn der hellen Jahreszeit und Samhain, der Beginn der dunklen Jahreszeit. Im Irischen redet man von Beltaine, was übersetzt “Bels Feuer” bedeutet. Dabei wurde Beltane traditionell zum Maivollmond gefeiert. So heißt es in den mythischen Texten Irlands: “Beltaine, das Feuer Bels, die heilbringende Flamme ist ein Feuer, welches die Druiden durch ihre Magie oder ihre großen Zaubergesänge machten.”

Beltane war das größte und rituellste Fest im Jahresverlauf und das magisch entzündete Feuer Bels war ein Notfeuer. Der Begriff ist etwas unglücklich, denn ein Notfeuer hat nichts mit der Not zu tun. So schreibt Wolf-Dieter Storl in seinem Buch “Naturrituale”, Seite 127: “Es ist ein durch anstrengendes Reiben “genötigtes” Feuer. Es wurde so lange gequirlt und gerieben, bis das Holzmehl im Bohrloch anfing zu glühen, bis das neue Feuerkind gezeugt war und freudig hell flackernd aufleuchtete. Das so gezeugte Feuer galt tatsächlich als “Kind” und der Akt des Zeugens, das anstrengende Hin- und Her-Reiben, das Quirlen, als “Koitus”. Der Quirl oder Stab war dem männlichen Glied gleich gesetzt, die Unterlage oder das Gefäß, welches das Feuerkind empfängt, war ein weiches Holz, das als Lichtjungfrau gedacht war.”

So symbolisierte Bels Feuer den Sommeranfang und mit dem Feuer, die immer stärker werdende Sonne. In Irland war es dabei Brauch im Maivollmond alle Feuer zu löschen und anschließend von Bels Feuer, das symbolisch, rituell und gesetzlich für alle Feuer Irlands stand, die Feuerquellen neu zu entfachen. So nahm jeder von der Glut um sein heimisches Herdfeuer mit der symbolischen Flamme Bels wieder zu entzünden.

Ein so magisches Feuer wurde natürlich aus neunerlei Hölzern entfacht. Dieses stammte von magischen Bäumen wie Wacholder, Eiche, Eberesche, Kiefer, Birke, Fichte, Tanne, Lärche und Haselnuss. Diese Pflanzen symbolisieren die Kräfte des Waldes, die Verbindung zum Göttlichen, der Anderswelt und die Elemente der Luft und der Erde. Man sprang durch ein so junges und kraftvolles Feuer um sich zu erneuern und verjüngen und trieb das Vieh zwischen zwei Feuerstößen hindurch, um Segen, Fruchtbarkeit und Schutz vor Krankheiten zu erbitten. Aber nicht nur das, aus römischen Quellen wird auch überliefert, dass Opfergaben stattfanden in Form von Menschen- und Tieropfern.

Das Fruchtbarkeitsfest

Aber Beltane ist mehr als nur das Entzünden eines magischen Feuers. Es ist ein Fruchtbarkeitsfest, das die Vereinigung zwischen den Polen, Tag und Nacht, von Mann und Frau feiert und über das hinaus die Vereinigung mit dem Göttlichen selbst zulässt. Nichts anders ist es zu verstehen, wenn die Grenzen zwischen der Realen und der Anderswelt aufgehoben werden können. Wir können über die Grenze sehen und klar erkennen, wo wir stehen, dies erfahren wir aber hier nicht in der Meditation oder dem Zurückgehen in uns selbst, sondern über unsere Sinnlichkeit.

Dies ist eigentlich nichts anderes als eine tantrische Erfahrung. Unsere Lebenslust, die Bejahung des Lebens und der Austausch mit unserem Partner stehen hier im Vordergrund. Und in der Vereinigung selbst werden wir zu Gott und Göttin und für einen kurzen Augenblick unsterblich. Nicht umsonst gilt der Mai als der Hochzeitsmonat; seit vielen Urzeiten steht dieser Monat in der Bejahung zu genau diesem Partner und der Verbindung zu dauerhafter Partnerschaft. So wie die Pflanzen erblühen und anschließend über das Jahr reifen und vergehen, soll eine Verbindung, die im Monat Mai geschlossen wird, ebenso eine dauerhafte Verbindung symbolisieren. Auch spricht man vom Wonnemonat Mai, also der Monat im Jahr, der wonnehafte Momente, Frühlingsgefühle und Bauchkribbeln verspricht und der vor allem die Lebensgeister wieder erweckt. Und genau deswegen steckt das Beltanefest so voller erotischer Momente.

Es ist die Zeit des Wohlfühlens, der Sonne an die Haut lassen, das erste Barfußgehen im Gras – einfach nur Sonne tanken, wohlfühlen, loslassen, träumen und dann ist da noch die Lust auf mehr... Die Maifeiern sind die ersten Feste, wo wir wieder draußen in der Natur feiern, uns spüren können und mit der beginnenden Vegetation erleben auch wir die Frühlingsgefühle.

Der Maibaum

Im Gegensatz zur Hexennacht wird der Tanz in den Mai gefeiert. Diese Tanzfeste feiert man bereits seit dem 12. Jahrhundert und seit dieser Zeit werden in den Dörfern auch die Maibäume aufgestellt. Der Maibaum selbst steckt voller Erotik, symbolisiert er doch die Vereinigung zwischen Himmel und Erde und Mann und Frau. So darf man den geschmückten Stamm mit seinem ausladenden Kranz auch als symbolische menschliche Geschlechtsorgane sehen. Der Kranz wurde mit Bändern verziert, die früher sehr lang waren, damit man einen Rundtanz tanzen konnte. Von daher kommt auch der Begriff des “Anbandelns” und mit den Bändern, die im Tanz verknüpft wurden, knüpfte man auch die ersten zarte Bande zum anderen Geschlecht an. Aus diesem Grund war der Maibaum natürlich ein Dorn im Auge der Kirchenoberen und es gibt Aufzeichnungen darüber, die das Aufstellen von Maibäumen und –feiern verbot.

Traditionell besteht der Maibaum aus einer Birke (Betula alba), einem überaus magischen Baum. Denn die Birke steht in allen indogermanischen Kulturen als Baum des Lebens, des Anfang und Neubeginns, des Lichtes und für die Weiblichkeit. Die Germanen hatten eine Birkenrune, die das magische Zeichen für die weiblichen Wachstumskräfte war. Sie symbolisiert das Wachsen, Reifen und Vergehen und im nächsten Jahr das Wiederauferstehen, die Wiedergeburt und durch ihre Höhe die Verbindung zwischen Himmel und Erde.

Die keltischen Liebespflanzen

Das Mariengras

Eine Liebespflanze ist dabei das Mariengras (Hierochloe odorata). Gemeint ist allerdings nicht das nordamerikanische Sweetgrass, sondern die nordeuropäische Variante. Das Mariengras ist eine heilige Pflanze und war zuerst der Göttin Freya geweiht. Es blüht genau zur Maienzeit und wurde zur Erweckung der Liebeskraft ins Bettstroh gelegt. Denn sein feiner Cumarinduft entspannt, lässt relaxen und fördert die romantischen Gefühle füreinander.

Ursprünglich bezog sich sein Name auf die Göttin Freya und wurde Freyagras genannt. Die Göttin selbst hat es nach nordischen Sagen den Menschen überreicht. Seine größte Bedeutung hatte es allerdings als Bettstrohkraut. Die Bettstrohkräuter waren getrocknete Pflanzen, die man ins Stroh der Lagerstatt gab. Vor allem bei Geburten hatten die Bettstrohkräuter eine große Bedeutung, unterstützten diese Pflanzen doch positiv den Geburtsvorgang und die Göttin, die sich durch diese Pflanzen persönlich einstellte, gab spirituellen Beistand und Schutz. Anschließend gab man die Bettstrohkräuter auch in die Wiege des Kindes, damit der neue Erdenbürger auch Schutz und Wohlergehen erfahren konnte.

Dieser heidnische Brauch ließ sich auch nicht durch die Christianisierung ausrotten und so gab die Kirche schließlich nach und verkündigte die Bettstrohkräuter seien Pflanzen, auf denen die Jungfrau Maria schlief und das Jesukind bettete. Und so wurde aus dem Freyagras das Mariengras und die kirchliche Ordnung war wieder hergestellt.

Der Weißdorn

Ein absoluter Kraft- und Schutzbaum war der Weißdorn (Crataegus oxyacantha). Seine wunderschönen weißen Blüten blühen zur Maienzeit und er ist der Märchenbaum aus Dornröschen. Denn er symbolisiert die Dornenhecke, die undurchdringlichen Schutz gibt und für tiefen Schlaf sorgt. So schreibt Wolf-Dieter Storl in seinem Buch “Pflanzen der Kelten”, Seite 188: “Überall, wo er wächst, wurde der Weißdorn der großen weißen Göttin, der Braut des Belenos geweiht. Die Bilder der im Feuerring schlafenden Brunhilde (Nibelungen), des Dornröschens und der Fee Viviane, die den Druiden Merlin in einer Weißdornhecke dem Zauberschlaf übergab, sind Reminiszenzen der großen Göttin. Sie weist als Schicksalsgöttin, als Herrin über Leben und Tod, im Reich jenseits des Zauns, jenseits der schützenden Hecke. Sie ist die verführerische Hexenkönigin. Acht habe derjenige, der sich dort hineinwagt!”

Diese Mysterien beschreiben sehr poetisch das Schlafen und Erwachen der Natur und auch in uns. Denn nach den trägen, dunklen und nebeligen Wintertagen, wenn auch unsere Seele sich depressiven Gedanken hingibt, fegt die warme Frühlingssonne und erblühende Landschaft trübe Gedanken hinweg, sorgt für gute Laune und erhebt unser Seelenleben in ungeahnte Höhen. Und so wie der Märchenprinz Dornröschen wachküsst, um mit ihr eine verheißungsvolle Verbindung einzugehen, verspricht die versteckte Symbolik heiße Nächte und Leidenschaft mit einem geliebten Menschen.

Der Waldmeister

Eine der bekanntesten Maienpflanzen ist der Waldmeister (Asperula odorata), vor allem durch die Maibowle, die sich bis heute erhalten hat. Bereits im Jahre 854 schrieb ein Benediktinermönch “Schütte perlenden Wein auf das Waldmeisterlein”. Dabei gilt die Maibowle als Liebestrank schlechthin, denn sie regt unsere Liebesbereitschaft merklich an, da die Wirkung des Waldmeisters Körper und Seele entspannt und Hemmungen nimmt.

Allerdings sollte man für diese Wirkung etwas mehr als nur ein Zweiglein Waldmeister in die Bowle tun. Wer allerdings des guten Willens zuviel davon in die Bowle tut, wird erkennen, warum der Waldmeister ein Meister des Waldes ist. Denn dann verbindet er mit der Wildheit und Stärke der Waldgeister, die einen nicht mehr loslassen. Ebenso gehört der Waldmeister zu den Bettstrohkräutern und wurde, wie das Mariengras zur Erweckung der Liebeskraft ins Stroh gelegt.

Der Gundermann

Eine magische Zauberpflanze ist der Gundermann (Glechoma bederacea), der besonders in der Walpurgisnacht bösen Zauber, magische Verhexung und Zauberflüche fernhielt. So besagt der Aberglaube, dass man in der magischen Nacht die wahren Hexen erkenne könne, wenn man einen Kranz aus ihm geflochten auf dem Kopfe trage. Aber der Kranz aus der Gundelrebe wurde auch beim ekstatischen Fruchtbarkeitsfest getragen, um sich mit den Kräften der Natur und Naturgottheiten zu verbinden. Auch sie wurde auf das Liebeslager gelegt.

Ganz besonderes Bedeutung hat der Gundermann allerdings als Zutat in der grünen Neunen, der Gründonnerstagsuppe, die aus neun heilkräftigen Kräutern bestand. Es waren die ersten grünen Kräuter, die sich in der Natur finden lassen. Und diese haben ganz besondere reinigende und erneuernde Kräfte auf unseren Geist und Körper.

Und so verzaubern diese Pflanzen den Mythos und die Kraft der Sonne und der weiblichen Göttin in all ihren Facetten. Und immer geht es um die Verjüngung und Erneuerung, die die erwachende Natur des Frühlings so mit sich bringt und eben auch die Erweckung der Gefühle zueinander. Die weisen Frauen wussten um die Kräfte der Natur und nutzten das Wissen um Männer zu verführen, die Fruchtbarkeit zu steigern und natürlich auch um dieses Wissen rund um Schwangerschaft und Geburt einzusetzen.

Denn die Fruchtbarkeitsfeste waren nicht nur Feste in denen das Erwachen der Natur gefeiert wurde, es galt auch die eigene Fruchtbarkeit unter Beweis zu stellen. So war die Vereinigung zwischen Mann und Frau in diesen Tagen heilig und stand unter einem ganz besonderen Segen. So schreibt Wolf-Dieter Storl im Buch “Hexenmedizin”, Seite 80: “In alteuropäischen Kulturen galt es als besonders günstig, Kinder in der freien Natur zu zeugen, wenn der Mond voll und die Sonne im Jahresrhythmus aufsteigend ist. Der Wonnemonat Mai, wenn die Menschen am kraftvollen Ergrünen und Erblühen der Natur teilhaben können, galt als eine besonders günstige Zeit für die Empfängnis. Die im Mai gezeugten Kinder kamen dann zur Lichtmesszeit im Frühling, wenn die Lichtgöttin wieder erscheint, zur Welt.” Das solche Feste natürlich ein Dorn im Auge der Kirche war ist klar und ebenso, dass diese Bräuche heute auch mit sexuellen Orgien in Verbindung gebracht werden.

Beltane ist ein uraltes Fest, das uns die Verbindung mit unserer Sinnlichkeit und Fruchtbarkeit bringt und an dessen Ende die Vereinigung mit einem geliebten Menschen stehen kann, aber nicht muss. Beltane kann uns die Sinne rauben, wenn wir uns darauf einlassen. Beltane kann uns mit der Anderswelt in Verbindung bringen, die den Kessel der Inspiration über uns ausschüttet und uns mit neuen Ideen vertraut werden lässt. So können wir uns von einer Seite zeigen, die uns niemand zugetraut hätte. Es ist die Zeit in der das Unmögliche möglich werden kann. Nicht umsonst heißt es auch “Alles Neu macht der Mai”. Beltane ist ein Fest der Sinne, der Ekstase und der Wildheit der Natur und genau so sollten wir seine Kräfte begreifen und sie uns zu eigen machen.

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